(Vortrag "Neue Messe für Gesundheit" am 08.05.2012)
Einleitung
Achtsamkeit kann eine wertvolle, bereichernde und
verbindende Haltung sein. Hier und Jetzt wahrnehmen ohne zu Urteilen, nicht
bewerten sondern beobachten, schauen was in oder um einem Auftaucht, ohne gleich etwas damit zu
tun, sich dem Fluss des Lebens hingeben – diese Aspekte sind uns vor allem aus
östlichen spirituellen Richtungen bekannt, doch auch in einer modernen
Psychotherapie nehmen Sie einen immer größeren Stellenwert ein. So auch in Psychotherapieformen, die einem
personzentrierten Ansatz folgen. Hier ist vor allem die Methode Focusing zu nennen, die ich im Folgenden beschreiben
werde.Kontakt zum uns Selbst
Die Qualität des Kontakts ist etwas ganz Entscheidendes in
einer Therapie, welche für Menschen erfolgreich verlaufen soll. Schon Carl
Rogers, der Begründer der Gesprächs-therapie setzte voraus, dass bevor weitere
entscheidende Faktoren, welche eine Therapie positiv beeinflussen zu beachten
sind, als aller erstes ein psychologischer Kontakt zwischen der Therapeutin und
der Klientin entstehen muss.
Dies ist wichtig, jedoch erfahrungsgemäß gegeben. Es wird
deshalb meist nicht zum Thema gemacht, außer zum Beispiel im Kontakt mit
Menschen mit Demenz oder Psychoseerfahrung, Der Kontakt, um den es mir nun im
Folgenden geht, ist jedoch vor allem der Kontakt des Klienten zu seinem
eigenen Erleben. Hier setzt die Methode Focusing an. Es geht darum achtsam hinzuspüren
und einen stimmigen Kontakt zum eigenen Erleben zu entwickeln. Damit Sie einen
Eindruck haben wovon ich spreche möchte ich Sie zu einem kleinen Experiment
einladen:
Wenn es für Sie gerade stimmig ist sich darauf einzulassen machen Sie mit, falls es fürSie im Moment nicht passt, haben Sie jetzt 2-3 Minuten Pause. Wie wirkt diese Situation, inder Sie sich jetzt gerade in diesem Moment befinden auf Sie? Also, wenn es passt nehmen Sie sich doch einmal kurz jetzt und hier im Moment wahr. Wie sitzen Sie Jetzt in diesemMoment? Schauen Sie sich doch ein wenig um……., wer sitzt neben oder vor Ihnen, wie wirkt der Raum auf Sie? Nehmen Sie sich doch noch ein klein wenig Zeit, schauen Sie sich vielleicht noch mal um und nehmen Eindrücke mit allen Ihren Sinnen auf. Was für Geräusche sind da im Moment? Was riechen Sie? Lassen sie doch Ihre Sinne noch einige Augenblicke neugierig die Umgebung achtsam erforschen.
Nun gehen Sie mit
Ihrer Aufmerksamkeit langsam nach innen. Spüren Sie in Ihre Leibesmitte
…….., nehmen Sie sich ruhig ein klein
wenig Zeit und dann schauen Sie was bei Ihnen im Brust- und Bauchbereich so auftaucht………
Wie empfinden Sie diese Situation jetzt in diesem Moment, jetzt in diesem Raum?
Welche Empfindungen nehmen sie war? Vielleicht kommt Ihnen ein Bild, ein Wort oder
ein Satz, der ein Gefühl für diese Situation vermittelt, vielleicht kommt auch nichts. Egal was bei Ihnen nun
auftaucht, es ist in Ordnung, so wie es ist.
Wichtig ist etwas bei
dem zu verweilen wie es für Sie jetzt im Moment ist. Sie müssen es nicht gleich
benennen oder etwas damit anfangen. Viel mehr Sinn macht es einfach ein wenig
damit zu sein, es erst einmal zu begrüßen, „Hallo“ zu sagen, bevor Sie damit
vielleicht etwas anstellen.
Focusing und das
körperliche Erleben
Wie sie nun vielleicht selber bemerkt haben hat Focusing mit
dem körperlichen Erleben einer Situation zu tun. Wir machen uns die körperliche
Intelligenz des Körpers zunutze um Probleme zu lösen, uns aus Mustern zu befreien
und neue, frischen Gedanken zu bekommen. Dazu ist es zuerst einmal notwendig
empfindsamer darauf zu werden was unser Körper zu einer Situation sagt. Also
ein wenig Entschleunigung und Stille sind vorteilhaft.
Ich möchte nun kurz skizzieren wie die Methode Focusing
entstanden ist und danach das Ganze noch etwas vertiefen.
Zur Entstehung
Der Begründer Eugene
T. Gendlin, war in den 60er Jahren der Nachfolger von Carl Rogers an der
Universität von Chicago. Gendlin ist
Philosoph, ging jedoch auch Forschungsarbeiten im Bereich der
Psychologie nach. Hier war es vor allem die Frage „Was unterscheidet Menschen,
die einen Nutzen aus einer Psychotherapie ziehen von Menschen bei welchen es zu
keinen gewünschten Veränderungen im Handeln oder Empfinden kommt.
Die Ergebnisse seiner Arbeit zeigen deutlich, dass es nicht
zuallererst die Methode oder die Fähigkeiten des Therapeuten sind, sondern eine
bestimmte Art der Wahrnehmung des Klienten. Menschen, die erfolgreich mit Krisen
und Problemen umgehen können haben eine andere Art der Selbstwahrnehmung. Dies
beschränkt sich nicht ausschließlich auf eine Therapie, Diese Menschen haben
die Fähigkeit, wenn Sie von Ihren Problemen sprechen, ein vages körperliches
Empfinden, welches das Problematische begleitet wahrzunehmen und etwas dabei
zu verweilen.
Sie bemerken also ein
körperliches Empfinden, wenn Sie sich mit Bedrückendem oder Unklarem
auseinandersetzten und eine Lösung suchen. Diese Menschen sprechen nicht immer
klar, sie sprechen vor allem an entscheidenden Stellen langsamer, nämlich dann
wenn sie innerlich um die richtigen, stimmigen Worte ringen.
Diese Menschen versuchen also eine Sprache zu finden, die
wirklich das ausdrückt was jetzt im Moment in Ihnen ist. Sie sprechen also aus
ihrem Erleben heraus, mit welchem sie verbunden sind und haben dabei einen
guten, stimmigen Abstand zu dem worüber sie sprechen.
Der Therapeut merkt deutlich, dass diese Menschen mit ihrer Wahrnehmung
in den Körper gehen wenn sie nach Begriffen, Symbolen oder Bildern suchen,
welche für die Beschreibung ihrer problematischen Situation passt.
Wenn es dann wirklich passt, also ein Wort, ein Satz oder
ein Bild gefunden wird, dass für den Körper stimmig ist, tritt gleich eine
kleine körperliche Erleichterung auf.
Focusing in
verschiedenen Kontexten
Das was Gendlin da beobachtet hat, hat er dann zu einer
relativ einfach zu erlernenden Selbsthilfemethode gemacht. Heute wird Focusing
im Bereich Therapie, Coaching, Supervision, Beratung, Philosophie und in vielen
anderen Kontexten erfolgreich eingesetzt. Immer dann wenn es stockt, wenn wir
fest hängen, es nicht weitergeht oder eben immer im selben nicht mehr
angebrachten Muster weitergeht, kann die Methode helfen.
Durch eine Wahrnehmungspräzisierung und eine sehr freundliche
Haltung, vor allen zuerst zu uns selbst, lernen wir die Aufmerksamkeit auf die
unmittelbar gegenwärtige Erfahrung zu richten und kommen dadurch zu dem was wir
hinter all unseren Konzepten in unsere Inneren wirklich fühlen und empfinden.
Diese Schulung der intuitiven Wahrnehmung fördert dabei neue, frische und
stimmige Schritte im Denken, Fühlen und Handeln.
Stimmiger Abstand zum
Problematischen
Im Focusing geben wir dem Bemerken von etwas, was in uns
auftaucht einen ganz großen Stellenwert. Vor allem wird den Klienten und
Menschen, die eine Ausbildung zum Gesprächs- und Focusingtherapeuten machen von
Anfang an vermittelt, dass wir nicht gleich mit dem Problematischen beginnen
müssen. Das nennen wir im Focusing Freiraum herstellen. Wir bringen also etwas
Raum zwischen uns und etwas Problematischen in uns. Wir geben uns selbst die
Erlaubnis, uns erst einmal wohlzufühlen, zu bemerken, dass wir mehr sind als
Probleme oder eine Diagnose.
Achtsam in den Körper
gehen
Die Methode schult uns vor allem, dass das eigenständige Ich
eine achtsam wertschätzende, freundliche Beziehung zu den gerade erlebten
Inhalten in uns aufnimmt.
Also, wenn sich in uns zum Beispiel etwas Ängstliches
zeigt, dann wollen wir dies zuerst einmal ganz achtsam wahrnehmen. Wir versuchen
es nicht zu verjagen oder es zu intellektualisieren, also irgendwie so in dem
Sinne, „da brauche ich doch jetzt wirklich keine Angst haben, oder das ist doch
wirklich nicht so schlimm….“. Unser Verstand will dieses Ängstliche weg haben,
was ja irgendwie auch verständlich ist. Doch wenn wir dann in den Körper fühlen
ist dieses Empfinden, was wir als Angst benannt haben noch immer deutlich da. So
kommen wir also nicht weiter!
Also gehen wir in den Körper, nehmen es wahr und versuchen
zu empfinden wie sich dieses Ängstliche in uns anspürt. Was ist so ängstlich
an diesem Ängstlichen, wie fühlt es sich
im Körper an? Verändert es sich vielleicht dadurch, dass wir ein wenig
dabeibleiben? Wir können Fragen stellen, es einfach nur achtsam beobachten und
es wird sich in den meisten Fällen etwas im Körper zeigen, es wird sich irgendwie
eine kleine Veränderung einstellen, eine Beruhigung oder ein Hinweis auf etwas
was uns weiterbringt.
Freundliche Beziehung
zum Wahrgenommenen
Wenn wir zu dieser Angst eine gute Beziehung aufbauen, dann
können wir uns damit konstruktiv auseinandersetzen. In unserem Körper wohnt
eine innere Weisheit wir können es auch, ganz im Sinne dieser Veranstaltung, einen
inneren Arzt nennen. Manche nennen es Chi, Prana, Dynamis oder Lebenskraft. Man
kann dies als eine dem Menschen innewohnende Motivation benennen, welche die
eigenen Potentiale in dieser Welt entfalten will. Durch diese Kraft findet in
uns etwas statt was Rogers „Selbstaktualisierung“
nannte.
Wo die Sprache
aufhört, da wohnen wir
Gendlin nennt es „carrying forward“. Er meint, wir sollen unsere Aufmerksamkeit
dorthin lenken, wo die Sprache aufhört, denn dort leben
wir, dort sind wir wirklich zuhause. Von dort können sich implizite
(unbewusste) Erlebensprozesses auffalten
und es entsteht etwas was uns im Leben weiter trägt, uns auf unsere uns ganz
eigene Art wachsen und heiler werden lässt. Uns eben so werden lässt wie wir
eigentlich gemeint sind.
Nach dem Freiraum herstellen, haben wir uns von
Verstrickungen gelöst oder zumindest einen besseren Abstand dazu. Nun können
wir diesen „Ort an dem die Worte aufhören“, besuchen und uns mit dieser
Lebenskraft dort verbinden. Dadurch sind wir auch mit unserer Umwelt, unseren
Mitmenschen mehr verbunden.
Das ist, wie ich finde das zweite Großartige was uns die
Methode lehrt. Alles was wir brauchen ist in uns, wir müssen nur wieder einen
Zugang dazu finden. Wenn wir dies schaffen, wir wieder in der Lage sind, diese
inner Weisheit unseres Körpers zu hören, wird vieles in unserem Leben
einfacher, vieles wird uns bedeutend weniger Kraft kosten wir werden wieder
lebendiger und kreativer, Wir werden einfach wieder mehr wir selbst und haben
weniger zu kämpfen, sind lebendiger und mit dem Fluss des Lebens in Verbindung.
So, hier werde ich nun enden. Vielleicht, wenn Sie
wollen, gehen Sie nochmals kurz in Ihre
Leibesmitte, vielleicht taucht dort ja eine Frage auf – die ich dann versuche
aus meiner Leibesmitte zu beantworten.
Ich danke Ihnen für Ihre freundliche Aufmerksamkeit
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