Freitag, 7. Dezember 2012

Focusing - die innere Weisheit unseres Körpers nutzen

oder Achtsamkeit in der Psychotherapie
(Vortrag "Neue Messe für Gesundheit" am 08.05.2012)


Einleitung
Achtsamkeit kann eine wertvolle, bereichernde und verbindende Haltung sein. Hier und Jetzt wahrnehmen ohne zu Urteilen, nicht bewerten sondern beobachten, schauen was in oder um  einem Auftaucht, ohne gleich etwas damit zu tun, sich dem Fluss des Lebens hingeben – diese Aspekte sind uns vor allem aus östlichen spirituellen Richtungen bekannt, doch auch in einer modernen Psychotherapie nehmen Sie ei­nen immer größeren Stellenwert ein. So auch in Psycho­thera­­pieformen, die einem person­zentrierten Ansatz folgen. Hier ist vor allem die Methode  Focusing zu nennen, die ich im Folgenden bes­chreiben werde.


Kontakt zum uns Selbst
Die Qualität des Kontakts ist etwas ganz Ent­scheidendes in einer Therapie, welche für Men­­schen erfolgreich verlaufen soll. Schon Carl Rogers, der Begründer der Gesprächs-therapie setzte voraus, dass bevor weitere ent­scheidende Faktoren, welche eine Therapie positiv beeinflussen zu beachten sind, als aller erstes ein psychologischer Kontakt zwischen der Therapeutin und der Klientin entstehen muss.
Dies ist wichtig, jedoch erfahrungsgemäß gegeben. Es wird deshalb meist nicht zum Thema gemacht, außer zum Beispiel im Kont­akt mit Menschen mit Demenz oder Psychose­er­fahrung, Der Kontakt, um den es mir nun im Folgenden geht, ist jedoch vor allem der Kont­akt des Klienten zu seinem eigenen Erleben. Hier setzt die Methode Focusing an. Es geht darum achtsam hin­zuspüren und einen stim­migen Kontakt zum eigenen Erleben zu entwickeln. Damit Sie einen Eindruck haben wovon ich spreche möchte ich Sie zu einem kleinen Experiment einladen: 

Kleines Focusing Experiment   
Wenn es für Sie gerade  stimmig ist sich da­rauf einzulassen machen Sie mit, falls es fürSie im Moment nicht passt, haben Sie jetzt 2-3 Minuten Pause. Wie wirkt diese Situation, inder Sie sich jetzt gerade in diesem Moment befinden auf Sie? Also, wenn es passt nehmen Sie sich doch einmal kurz jetzt und hier im Moment wahr. Wie sitzen Sie Jetzt in diesemMoment? Schauen Sie sich doch ein wenig um……., wer sitzt neben oder vor Ihnen, wie wirkt der Raum auf Sie? Nehmen Sie sich doch noch ein klein wenig Zeit, schauen Sie sich viel­leicht noch mal um und  nehmen Eindrücke mit allen Ihren Sinnen auf. Was für Geräusche sind da im Moment? Was riechen Sie? Lassen sie doch Ihre Sinne noch einige Augenblicke neugierig die Umgebung achtsam erforschen.
Nun gehen Sie mit Ihrer Auf­merk­samkeit lang­sam nach innen. Spüren Sie in Ihre Leibesmitte ……..,  nehmen Sie sich ruhig ein klein wenig Zeit und dann schauen Sie was bei Ihnen im Brust- und Bauchbereich so auftaucht……… Wie empfinden Sie diese Situation jetzt in diesem Moment, jetzt in diesem Raum? Welche Empfindungen nehmen sie war?  Vielleicht kommt Ihnen ein Bild, ein Wort oder ein Satz, der ein Gefühl für diese Situation vermittelt, vielleicht kommt auch nichts. Egal was bei Ihnen nun auftaucht, es ist in Ordnung, so wie es ist.
Wichtig ist etwas bei dem zu verweilen wie es für Sie jetzt im Moment ist. Sie müssen es nicht gleich benennen oder etwas damit anfangen. Viel mehr Sinn macht es einfach ein wenig damit zu sein, es erst einmal zu begrüßen, „Hallo“ zu sagen, bevor Sie damit vielleicht etwas anstellen.


Focusing und das körperliche Erleben
Wie sie nun vielleicht selber bemerkt haben hat Focusing mit dem körperlichen Erleben einer Situation zu tun. Wir machen uns die körper­liche Intelligenz des Körpers zunutze um Prob­leme zu lösen, uns aus Mustern zu be­freien und neue, frischen Gedanken zu bekom­men. Dazu ist es zuerst einmal not­wen­dig empfindsamer darauf zu werden was unser Körper zu einer Situation sagt. Also ein wenig Entschleunigung und Stille sind vorteilhaft.
Ich möchte nun kurz skiz­zieren wie die Me­tho­de Focusing entstanden ist und danach das Ganze noch etwas vertiefen. 

Zur Entstehung 
Der Begrün­der Eugene T. Gendlin, war in den 60er Jahren der Nachfolger von Carl Rogers an der Universität von Chicago. Gendlin ist  Philo­soph, ging jedoch auch Forschungsar­bei­ten im Bereich der Psychologie nach. Hier war es vor allem die Frage „Was unterscheidet Men­­schen, die einen Nutzen aus einer Psychotherapie ziehen von Menschen bei welchen es zu keinen gewünschten Verän­derun­gen im Han­deln oder Empfinden kommt.
Die Ergebnisse seiner Arbeit zeigen deutlich, dass es nicht zuallererst die Methode oder die Fähigkeiten des Therapeuten sind, sondern eine bestimmte Art der Wahrnehmung des Klienten. Menschen, die erfolgreich mit Kri­sen und Problemen umgehen können haben eine andere Art der Selbstwahrnehmung. Dies beschränkt sich nicht ausschließlich auf eine Therapie, Diese Menschen haben die Fähig­keit, wenn Sie von Ihren Problemen sprechen, ein vages körperliches Empfinden, welches das Problematische begleitet wahrzu­nehmen und etwas dabei zu verweilen.

Sie bemerken also ein  körperliches Emp­fin­den, wenn Sie sich mit Bedrückendem oder Un­klarem auseinandersetzten und eine Lösung suchen. Diese Menschen sprechen nicht immer klar, sie sprechen vor allem an entscheidenden Stellen langsamer, nämlich dann wenn sie in­ner­lich um die richtigen, stimmigen Worte ringen.
Diese Menschen versuchen also eine Sprache zu finden, die wirklich das ausdrückt was jetzt im Moment in Ihnen ist. Sie sprechen also aus ihrem Erleben heraus, mit welchem sie ver­bun­­den sind und haben dabei einen guten, stim­migen Abstand zu dem worüber sie sprechen.
Der Thera­peut merkt deutlich, dass diese Men­schen mit ihrer Wahr­neh­mung in den Körper gehen wenn sie nach Begriffen, Sym­bolen oder Bildern suchen, welche für die Beschrei­bung ihrer proble­matischen Situation passt. 

Wenn es dann wirklich passt, also ein Wort, ein Satz oder ein Bild gefunden wird, dass für den Körper stimmig ist, tritt gleich eine kleine körperliche Erleichterung auf.


Focusing in verschiedenen Kontexten
Das was Gendlin da beobachtet hat, hat er dann zu einer relativ einfach zu erlernenden Selbsthilfemethode gemacht. Heute wird Focusing im Bereich Therapie, Coaching, Supervision, Beratung, Philosophie und in vielen anderen Kontexten erfolgreich einge­setzt. Immer dann wenn es stockt, wenn wir fest hängen, es nicht weitergeht oder eben immer im selben nicht mehr angebrachten Muster weitergeht, kann die Methode helfen.

Durch eine Wahrnehmungs­präzisierung und eine sehr freundliche Haltung, vor allen zuerst zu uns selbst, lernen wir die Aufmerksamkeit auf die unmittelbar gegenwärtige Erfahrung zu richten und kommen dadurch zu dem was wir hinter all unseren Konzepten in unsere Inneren wirklich fühlen und empfinden. Diese Schu­lung der intuitiven Wahrnehmung fördert da­bei neue, frische und stimmige Schritte im Denken, Fühlen und Handeln.



Stimmiger Abstand zum Problematischen
Im Focusing geben wir dem Bemerken von etwas, was in uns auftaucht einen ganz großen Stellenwert. Vor allem wird den Klienten und Menschen, die eine Ausbildung zum Gesprächs- und Focusingtherapeuten machen von Anfang an vermittelt, dass wir nicht gleich mit dem Problematischen beginnen müssen. Das nennen wir im Focusing Freiraum herstel­len. Wir bringen also etwas Raum zwischen uns und etwas Problematischen in uns. Wir geben uns selbst die Erlaubnis, uns erst einmal wohlzu­fühlen, zu bemerken, dass wir mehr sind als Probleme oder eine Diagnose.

Nach dem Freiraum schaffen beginnen wir, ganz achtsam und freundlich zu uns selbst, wahrzunehmen was in uns so alles auftaucht. Nun können wir aus diesem Freiraum heraus, mit einer stimmigen Distanz zu dem nun auf­tauchenden Problematischen, entscheiden an was wir arbeiten wollen. Dieses Freiraum herstellen an sich kann schon einmal sehr entlastend wirken und ist ein ganz zentraler Aspekt im Focusing.


Achtsam in den Körper gehen
Die Methode schult uns vor allem, dass das eigenständige Ich eine achtsam wertschätzen­de, freundliche Beziehung zu den gerade er­leb­­ten Inhalten in uns aufnimmt.
Also, wenn sich in uns zum Beispiel etwas Ängst­liches zeigt, dann wollen wir dies zuerst einmal ganz achtsam wahrnehmen. Wir versu­chen es nicht zu verjagen oder es zu intel­lektualisieren, also irgendwie so in dem Sinne, „da brauche ich doch jetzt wirklich keine Angst haben, oder das ist doch wirklich nicht so schlimm….“. Unser Verstand will dieses Ängstliche weg haben, was ja irgendwie auch verständlich ist. Doch wenn wir dann in den Körper fühlen ist dieses Empfinden, was wir als Angst benannt haben noch immer deutlich da. So kommen wir also nicht weiter!
Also gehen wir in den Körper, nehmen es wahr und versuchen zu empfinden wie sich dieses Ängstliche in uns an­spürt. Was ist so ängstlich an diesem Ängstlichen,  wie fühlt es sich im Körper an? Verändert es sich vielleicht dadurch, dass wir ein wenig dabeibleiben? Wir können Fragen stellen, es einfach nur achtsam beobachten und es wird sich in den meisten Fällen etwas im Körper zeigen, es wird sich irgendwie eine kleine Veränderung einstellen, eine Beruhigung oder ein Hinweis auf etwas was uns weiterbringt. 



Freundliche Beziehung zum Wahrgenommenen
Wenn wir zu dieser Angst eine gute Beziehung aufbauen, dann können wir uns damit kon­struk­tiv auseinander­setzen. In un­serem Körper wohnt eine innere Weisheit wir können es auch, ganz im Sinne dieser Veran­staltung, einen inneren Arzt nennen. Manche nennen es Chi, Prana, Dynamis oder Lebens­kraft. Man kann dies als eine dem Menschen innewoh­nende Motivation benen­nen, welche die eige­nen Potentiale in dieser Welt entfalten will. Durch diese Kraft findet in uns etwas statt was Rogers „Selbstaktualisie­rung“ nannte. 


Wo die Sprache aufhört, da wohnen wir
Gendlin nennt es „carrying forward“. Er meint, wir sollen unsere Auf­merk­­sam­keit
dorthin lenken, wo die Sprache auf­hört, denn dort leben wir, dort sind wir wirklich zuhause. Von dort können sich implizite (unbewusste)  Erlebensprozesses auffalten und es entsteht etwas was uns im Leben weiter trägt, uns auf unsere uns ganz eigene Art wachsen und heiler werden lässt. Uns eben so werden lässt wie wir eigentlich gemeint sind.
Nach dem Freiraum herstellen, haben wir uns von Verstrickungen gelöst oder zumindest einen besseren Abstand dazu. Nun können wir diesen „Ort an dem die Worte aufhören“, besuchen und uns mit dieser Lebenskraft dort verbinden. Dadurch sind wir auch mit unserer Umwelt, unseren Mitmenschen mehr verbun­den.
Das ist, wie ich finde das zweite Großartige was uns die Methode lehrt. Alles was wir brauchen ist in uns, wir müssen nur wieder einen Zugang dazu finden. Wenn wir dies schaffen, wir wieder in der Lage sind, diese inner Weisheit unseres Körpers zu hören, wird vieles in unserem Leben einfacher, vieles wird uns bedeutend weniger Kraft kosten wir werden wieder lebendiger und kreativer, Wir werden einfach wieder mehr wir selbst und haben weniger zu kämpfen, sind lebendiger und mit dem Fluss des Lebens in Verbindung.

So, hier werde ich nun enden. Vielleicht, wenn Sie wollen, gehen Sie nochmals kurz in Ihre Leibesmitte, vielleicht taucht dort ja eine Frage auf – die ich dann versuche aus meiner Leibesmitte zu beantworten.


Ich danke Ihnen für Ihre freundliche Aufmerksamkeit



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen